In São Paulo braucht man viel Geduld, viel mehr Geduld als anderswo.
Das beginnt beim Warten auf Dienstleister und Lieferanten, geht über die Ausführung von Dienstleistungen bis hin zum Stromausfall oder dem Bezahlvorgang an der Kasse im Supermarkt.
Herr, lass es Geduld vom Himmel regnen, denke ich mir an Tagen, an denen ich, nachdem ich bereits stundenlang tapfer auf eine Lieferung gewartet hatte, langsam die Geduld verliere.
Zieht sich der Prozess über Tage hin, sieht die Sache anders aus: Ich koche innerlich und verfluche die landläufig verbreitete Amanhã (Morgen)-Mentalität, auf die ich leider immer wieder stoße.
Kommt der Dienstleister nach tausenden Versprechungen gar nicht, durchlaufe ich die gesamte Emotionspalette. Konkreter will ich hier nicht werden. Wie viele Stunden habe ich in den wenigen Monaten, die ich in diesem Land bin, bereits mit Warten verbracht. Auch die möchte ich lieber nicht beziffern.
Es war der erste Dienstleister, den ich in unserem neuen Apartment erwartete. Wir lebten damals noch im Hotel, mein Mann war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland.
Ich stellte mir den Wecker auf 5.45 Uhr, denn ich wollte rechtzeitig vor dem Dienstleister, der sich für 7.00 Uhr angekündigt hatte, in unserem neuen Apartment sein.
Es wurde 7.15 Uhr, es wurde 7.30 Uhr. Ich checkte mein Handy alle zwei Sekunden und die Telefonleitung zur Portaria alle fünf Minuten. Auch Stunden später war der Dienstleister, der während der Vorbesichtigung alle Details gewissenhaft notiert hatte, nicht in Sicht. Nein, er kam einfach nicht. Nie. Und telefonisch erreichbar war er selbstverständlich auch nicht.
Eine Woche später erwartete ich eine Lieferung. Wieder stand ich um 9.00 Uhr, auf die Sekunde pünktlich, auf der Matte. Stunde und Stunde verging, bis die Lieferung um 17.40 Uhr erfolgte. Ein Freudenfest, denn immerhin kam sie.
Manchmal vergehen auch Tage oder gar Wochen. Die Ausführung von Dienstleistungen dauert gefühlt mindestens drei Mal so lange wie in Deutschland. So hat sich unser Elektriker, der bis auf kleinere Schummeleien großartige Arbeit geleistet hat, drei Wochen bei uns aufgehalten, um Lichtschalter und Steckdosen auszuwechseln, einige Lampen auf 127 Volt umzurüsten und vier Steckdosen in der Küche auf 220 Volt zu transformieren.
Auch das Unternehmen, das den Marmor in unserem Eingangsbereich, im Gäste-WC und die Waschtische in allen drei Bädern gereinigt hat, blieb ganze vier Tage bei uns.
Kommt erst höhere Gewalt ins Spiel, wird es gänzlich unkalkulierbar: Als wir gerade zwei Tage in unserem neuen Apartment lebten, telefonierte ich abends mit meinem Mann, der am Vortag zu einer weiteren Dienstreise aufgebrochen war. Unvermittelt flackerte das Licht, surrte der gerade angelieferte Kühlschrank und die Verbindung brach ab. Ein Stromausfall.
Nun, das kannte ich schon aus dem Hotel. Ich zündete Kerzen an und rief meinen Mann mit meinem Handy zurück. Von so einem kleinen Stromausfall wollte ich mir meine Pläne nicht durchkreuzen lassen. Ich machte mehr Kerzen an und setzte meine Hausarbeit bei Kerzenschein fort. Viel später sah ich fassungslos auf die batteriebetriebene Uhr, denn inzwischen war ich bereits drei Stunden ohne Energie. Doch es sollte sich weiter hinziehen: Erst am folgenden Vormittag um 10.22 Uhr gingen nach 15,5 Stunden unvermittelt alle Lichter an.
Zeit hat hier in São Paulo eben eine ganz andere Bedeutung als Deutschland, auch im Supermarkt. Als ich mit meinem Mann den ersten Einkauf im Supermarkt unseres Vertrauens erledigt hatte, legte ich die Waren eiligst auf das Band. Mein Mann, der bereits einige Wochen im Land war, sah mich erschüttert an. „Wir sind hier nicht bei Aldi“, sagte er, was ich etwas verwundert zur Kenntnis nahm. Und tatsächlich: Bis die Kassiererin den Bezahlvorgang des vorherigen Kunden abgeschlossen hatte, hätte man bei Aldi mindestens fünf Kunden an der Kasse durchgeschleust, zumindest bei Aldi Nord.
Inzwischen habe ich einige Tricks auf Lager, um meine Nerven nicht unnötig zu strapazieren: Spätestens am Vortag lasse ich jede Anlieferung oder das Erscheinen von Dienstleistern telefonisch bestätigen.
Ich bestelle alle Lieferanten und Dienstleister am gleichen Tag. Das kann chaotisch werden, insbesondere nach der Mittagspause, denn ob Fast Shop, Ponto Frio oder wie sie alle heißen mögen: Aus unerfindlichen Gründen scheint man in Brooklin gern unmittelbar nach der Mittagspause auszuliefern. Doch auch darauf kann man sich nicht verlassen, denn es wäre nicht Brasilien, wenn denn die Dinge verlässlich wären. So heißt es an diesen Tagen für die Dauer der üblichen Geschäftszeiten an das Apartment gefesselt zu sein. Wie heute. Herr, lass es Geduld vom Himmel regnen. Aber schnell!