Reise ins Paradies (2)

Um 16.22 Uhr sollten wir am Flughafen Deputado Luís Eduardo Magalhães in Salvador eintreffen.

Von dort wollten wir mit einem Kleinflugzeug (www.aerostar.com.br) weiter nach Morro de São Paulo, in unser Paradies auf der Ilha de Tinharé in Bahia, fliegen.

Doch uns war entgangen, dass die Nachmittagsmaschine Salvador bereits um 14.30 Uhr verlässt, ebenso wie der Katamaran (www.biotur.com.br), der, anders als das Flugzeug, jedoch fünf Mal pro Tag verkehrt. Und da die Sechssitzer gut gebucht sind, so dass wir auch für den Folgetag keinen Flug bekamen, entschieden wir uns, nach einer Nacht in Salvador, für den Katamaran.

 

Im Ansatz beunruhigt, sah ich uns mit einem kleinen Segelkatamaran mit zwei Rümpfen den Atlantik überqueren. Doch hinter dem Mercado Modelo, dem berühmten Kunsthandwerksmarkt Salvadors, erwartete uns ein Motorkatamaran für um die 100 Passagiere.

 

Ich genoss die fast dreistündige Atlantiküberquerung und war ein wenig stolz, dass ich die Wellen besser wegsteckte als mein Segler-Ehemann. Okay, ich hatte vorgebeugt und auf Anraten eines Freundes auf das bewährte Hilfsmittel Dramin zurückgegriffen, um jedweder Übelkeit vorzubeugen.

 

Wir sollten abgeholt werden im Hafen von Morro de São Paulo. Unzählige Männer in grellgelben Shirts standen mit Schubkarren bewaffnet am Pier und versuchten, uns dienstbeflissen das Gepäck zu entreißen, um es zum Weitertransport auf ihre Schubkarren zu laden. Da wir aber spätestens hinter dem großen Steintor unsere Abholung erwarteten, verteidigte mein Mann unsere Koffer energisch.

 

Gleichzeitig rief ich im Hotel an, um zu eruieren, wo genau wir abgeholt werden würden. Genau dort, wo wir uns befänden, würde in wenigen Minuten jemand mit einem Schild des Hotels erscheinen, erklärte die Rezeptionistin. Und tatsächlich nahm uns kurz darauf ein junger Mann in Empfang, der uns bedeutete, ihm zu folgen.

 

Fassungslos sahen uns die gelbgewandeten Männer an, als wir unsere Koffer den Berg hinaufzogen. Jede Minute erwarteten wir den VW-Bus des Hotels, der auf der Internetseite abgebildet war.

 

Doch es sollte anders kommen: Bei leichtem Nieselregen lief der junge Mann weiter und weiter und weiter. Er lief bergauf, bergab, über Sand, Kies und Holzbohlen.

Wir zogen unsere Koffer hinter uns her und ernteten höchst irritierte Blicke, denn vermutlich war noch nie zuvor ein Besucher auf die Idee gekommen, die Koffer eigenhändig zu transportieren.

 

Immer wieder wurde unser Guide angesprochen, denn dass wir uns an seiner Seite abmühten, konnte offensichtlich niemand nachvollziehen.

Mein Mann fluchte vor sich hin und ich hoffe einfach nur darauf, dass wir endlich unser Ziel erreichen würden.

 

Nach einem ungefähr 20-minütigen höchst beschwerlichen Fußmarsch erreichten wir einen gepflasterten Platz. Hier verabschiedete sich der junge Mann und erklärte, dass wir gleich von einem Kombi (brasilianische Bezeichnung für einen VW-Bus) des Hotels abgeholt würden.

 

Minuten später stiegen wir erschöpft in den Kombi und erlebten sogleich ein weiteres Abenteuer. Auf unbefestigter Piste fuhren wir durch eine verwunschene Gegend in den Sonnenuntergang, fasziniert von den Fahrkünsten des Fahrers, der die unzähligen kratertiefen Schlaglöcher äußerst geschickt umfuhr. Nach weiteren 20 Minuten waren wir angekommen.

 

Für das, was sich vor unseren Augen auftat, wäre ich bis zur völligen Erschöpfung gelaufen oder tausende Kilometer gefahren. Und ich verabscheue lange Auto- und Busfahrten wirklich sehr. Nie hätte ich geglaubt, dass ein solcher Ort tatsächlich existiert. Wir standen mitten im Paradies.

 

Glücklich checkten wir ein. Vor uns lagen sechs Tage, um diese unwirkliche Gegend zu erkunden. Über unsere Abenteuer werde ich demnächst berichten.

 

Post Scriptum: Bevor wir an unserem ersten Abend im Paradies das Licht löschten, las mein Mann im Reiseführer und begann laut zu lachen: „Frachtgut (und Gepäck) wird mit Hilfe von Schubkarren auf den sandigen Wegen an Pousadas, Restaurants und Boutiquen vorbeigekarrt“ (Quelle: Brasilien, 1. Deutsche Auflage, Lonely Planet Publications, Juni 2008, S. 514).

 

Mein Mann leistete Abbitte für den selbstverschuldeten Gewaltmarsch und wir beschlossen, fortan den Reiseführer vor Reiseantritt zu konsultieren.