Gesichter einer Megacity

An einem strahlenden Sonnentag im April war ich mit Christiane, die mich lange bevor ich meinen Lebensmittelpunkt nach Brasilien verlagerte, engagiert und sensibel auf meine Zeit in diesem für mich gänzlich unbekannten Land vorbereitet hatte, verabredet.

Sie, die zwei Mal für mehrere Jahre in São Paulo gelebt hatte, war in den Osterferien mit ihrer Familien nach Brasilien zurückgekehrt, um Freunde zu besuchen. So hatten auch wir endlich die Gelegenheit, einander persönlich zu treffen, in meinem neuen Land, das ihr sehr vertraut ist. Sie schlug den Clube Hípico de Santo Amaro, gemeinhin als Hípica bezeichnet, als Treffpunkt vor.

In Berlin hatte ich während meiner Schulzeit mit Freunden einige Clubs besucht – die Zehlendorfer Wespen, den Schülerruderverband Wannsee e.V. (SRVW), den Berliner Sport-Club (BSC) – die durchaus einen gewissen Idylle-Faktor besaßen.

 

Da ich insgesamt sehr idyllisch lebte – wir wohnten damals im von altem Baumbestand und viel Grün geprägten Zehlendorf und ich ging im feinen Grunewald zur Schule – nahm ich die Idylle der Clubs allerdings nicht so intensiv wahr, wie an jenem Tag im April.

 

Nachdem ich die Pforte der Hípica passiert hatte, war ich von riesigen, schön gewachsenen Bäumen umgeben. Ich war überrascht, denn ein solches Kleinod hatte ich inmitten der Megacity nicht erwartet.

 

An den Tennisplätzen sah ich, während ich auf Christiane und ihre Freundin Katharina wartete, Jugendlichen beim Training zu.

Als beide eingetroffen waren, schlenderten wir über das Gelände zum Restaurant des Clubs mit seiner schönen Terrasse und den geschmackvoll auf dem Rasen verteilten Tischen.

 

Wir tranken Kaffee und plauderten angeregt, während Vögel zwitscherten und wunderschöne junge Mädchen auf edlen Pferden durch diese Idylle galoppieren.

 

Es schien, als sei die Stadt Millionen Kilometer entfernt, denn kein Zivilisationsgeräusch war zu vernehmen. Ich fühlte mich an „Jenseits von Afrika“ erinnert und genoss die heitere, leichte Atmosphäre.

 

Immer wieder stießen Freundinnen hinzu, um Christiane, die vor längerer Zeit nach Deutschland zurückgekehrt war, in der Stadt willkommen zu heißen. So lernte ich an diesem kurzweiligen Nachmittag Bettina, mit der ich heute noch verbunden bin, kennen.

 

Begeistert berichtete ich meinem Mann von diesem besonderen Erlebnis. Mein Mann, ein Segler, der zwischenzeitlich einmal im Yacht Club Santo Amaro (YCSA) gewesen und ebenfalls begeistert war, freute sich mit mir und brachte die Idee auf, einen Club zu finden, der für beide interessant sei.

 

Doch noch lebten wir im Hotel. Kurz darauf fanden wir unser Apartment, womit das Thema in den Hintergrund geriet, bis vor einigen Wochen, als Heloisa, meine Sprachlehrerin, berichtete, dass einer ihrer Schüler hinsichtlich seiner Sprachkenntnisse sehr von der Mitgliedschaft in einem nahegelegenen Sportclub profitiert habe und dass auch sie zeitnah dort eintreten werde.

 

Das war das Stichwort. Ich befragte sie zu den unterschiedlichen Clubs, recherchierte im Internet, telefonierte mit Bettina und wandte mich an Michaela, eine Freundin, deren Mann ebenfalls Segler ist.

 

Am vergangenen Samstag nun hatten uns Michaela und ihr Mann Willi in den Clube de Campo do Castelo eingeladen. Zusammen mit Cristina, meiner ehemaligen Kollegin und Freundin aus Deutschland, die nun in São Paulo lebt und arbeitet, machten wir uns auf den Weg nach Interlagos, um den Club, der zahlreiche Sportarten anbietet, anzusehen.

 

Auf 48.000 Quadratmeter erstreckt sich der Club mit spürbar entspannter Atmosphäre und Retro-Charme, unmittelbar am Represa de Guarapiranga, einem Stausee, gelegen.

 

Nie werde ich unseren Trip mit dem Motorboot vergessen: Einmal an Bord des schnittigen Boots war es, als wären wir im Urlaub. Kleine Inseln, imposante Denkmäler und verwunschene Buchten taten sich vor unseren Augen auf. Wir beobachteten Kinder und Jugendliche beim Segeltraining, sahen Anthony, den Sohn der Familie, mit seinem Laser über das Wasser gleiten und kleine Kinder engagiert ihre Optimisten steuern. Jet-Skis donnerten an uns vorbei und geduldige Menschen versuchten sich mit Stand-up Paddling. Einfach toll.

 

Mittags legten wir am Yacht Club Santo Amaro an, um auf der wundervollen Sonnenterrasse zu Mittag zu essen. Auf einer Jolle, die zur Olympiade 1936 in Berlin gestartet war und heute als Büffet fungiert, wurden köstliche Speisen präsentiert, die wir in internationaler Atmosphäre genossen.

 

Spätestens als wir wieder im Clube de Campo do Castelo anlegten, war klar, dass wir Mitglied eines Clubs am Guarapiranga Stausee werden möchten.

 

An diesem Wochenende werden wir schließlich den Clube de Campo de São Paulo (CCSP) besuchen, dessen beindruckende Ausmaße wir bislang nur vom Wasser bestaunt haben. Morgen also werden wir wieder die andere, idyllische Seite dieser aufregenden Megacity erleben.