Der Salão de Beleza, der Schönheitssalon – eine brasilianische Institution

In der Megacity São Paulo gibt es 10.128 Salões de Beleza. Allein von Januar bis Juli 2011 sind 2.445 Geschäfte hinzugekommen.

Landesweit stieg die Zahl der Schönheitssalons laut einer Umfrage der Associação Nacional do Comércio de Artigos de Higiene Pessoal e Beleza (Anabel) in den vergangenen fünf Jahren gar um 78 Prozent von 309.000 im Jahr 2005 auf 550.000 im Jahr 2010.

Deutschland zählt gemäß den Statistiken des Zentralverbandes des deutschen Friseurhandwerks 77.126 Friseurbetriebe und, nach Angaben der Hamburger STATISTA GmbH, 17.082 Kosmetikstudios.

 

Statistisch gesehen kommen auf einen Salon in Brasilien 630 Kunden, also deutlich weniger als in Deutschland mit 860 Kunden pro Geschäft. Auf die Bevölkerung gerechnet ist die Dichte an Unternehmen im Dienste der Schönheit in Brasilien so um ein Drittel höher. Nicht eingerechnet die unzähligen selbstständigen Schönheitsexpertinnen, die ihre Kundinnen und Kunden in deren Apartments und Häusern verschönern.

 

Und trotzdem verblüfft die offizielle Zahl, denn gefühlt liegt die Zahl der Salões de Beleza noch viel höher, denn allein in unserem, ungefähr 400 Meter langen Karree befinden sich zwei ständig gut gefüllte Salons.

 

Der Salão de Beleza ist ein Phänomen: Er ist gleichzeitig Friseur und Nagelstudio, es wird an allen erdenklichen Körperstellen enthaart, mit verschiedensten Techniken massiert, gepflegt, geschminkt und sehr viel geplaudert. Heerscharen junger Frauen machen die Kundinnen und Kunden schön, nach Vorlagen aus Zeitungen oder, wie kürzlich beobachtet, nach Fotos, die jugendliche Kundinnen auf dem iPad aufrufen. Freitags und samstags gehen die Lichter häufig erst gegen 22.00 Uhr oder später aus.

 

Aus deutscher Sicht ist das extensive Styling von Händen und Füßen besonders augenfällig, denn nahezu alle Brasilianerinnen und Brasilianer, ob alt, jung, reich oder arm in all den Regionen des Landes, die ich bereits besucht habe und in São Paulo ganz besonders, zeichnen sich durch perfekt gepflegt und in der Regel, anders als in Deutschland, vollflächig lackierte Finger- und Fußnägel aus. Auch die Männer, wobei deren Nägel nicht knallig bunt, sondern klar lackiert sind. Ja, auch Männer tragen Nagellack.

 

Als ich meinen Mann, der lackierte Nägel für sich kategorisch ausschließt und seine lieber zuhause poliert, kürzlich zum Friseur begleitete, saß dort ein Mann mittleren Alters im Kundenkittel, Hände und Füße von sich gestreckt, die von zwei jungen Frauen, eine an den Händen, eine an den Füßen, eifrig lackiert wurden. Mein Mann war ganz erschüttert darüber, dass sich sein Geschlechtsgenosse in aller Öffentlichkeit so präsentierte.

 

Vom ausgeprägten Nagelkult erfuhr ich bereits lange bevor ich nach Brasilien kam. Mein Mann berichtete mir nach seinen ersten Tagen in der Stadt bereits vom „ausgezeichneten Pflegezustand der Brasilianerinnen und Brasilianer“ und bezog sich dabei selbstverständlich auch auf die auffällig gepflegten Hände und Füße. Christiane, eine deutsche Freundin, die lange in São Paulo gelebt hatte und nun nach Deutschland zurückgekehrt ist, erklärte, auf die Frage, was ihr am meisten fehle, dass ihr ihre Empregada und natürlich auch der Salão de Beleza fehle.

 

Als ich im Februar hier eintraf und sich die ersten Kontakte zu deutschen Damen ergaben, konnte ich es mit eigenen Augen sehen: Jede einzelne von ihnen hatten perfekt gepflegte und vollflächig lackierte, lange Nägel. Insbesondere in den Hochzeiten des Umzugs, in denen meine Hände ganz grauenvoll aussahen, starrte ich ständig auf die eindrucksvollen Nägel.

 

Ich brauchte eine Weile, bis ich selbst damit begann, meine Nägel zu „brasilianisieren“, denn bislang bevorzugte ich kurz geschnittene, gepflegte und leicht polierte Nägel. Hat man erst einmal damit angefangen… Inzwischen lasse auch ich jede Woche meine Nägel pflegen und lackieren. Und ich muss sagen: Sie sehen schon toll aus, meine brasilianischen Nägel, vollflächig lackiert mit Colorama cremoso – Café Italiano.

 

Eher defensiv berichtete ich gestern Beate, einer sehr unkonventionellen Berliner Freundin, die selbst vor vielen Jahren in Brasilien ihr praktisches Jahr absolviert und hier mit ihrer Doktorarbeit begonnen hatte, davon, dass ich seit neuestem wöchentlich meine Nägel lackieren lasse. Ihre Reaktion hinterließ mich verblüfft, denn auch sie hatte dies während ihrer Zeit in Brasilien regelmäßig getan.

 

Cristina, meine brasilianische Ex-Kollegin und jetzige Assistentin meines Mannes, die bis September über zwanzig Jahre in Deutschland gelebt hatte, hat sich gar die brasilianische Lackiertechnik angeeignet, denn sie wollte in den zwei Jahrzehnten Deutschland nicht auf perfekt brasilianisch gestylte Nägel verzichten.