Vorbereitungen für ein neues Jahr

Silvester oder Réveillon, wie es in Brasilien heißt, wollten wir in São Paulo, unserer neuen Stadt, verbringen. Doch wie sollten wir diesen besonderen Abend begehen?

Freunde hatten berichtet, dass sie im vergangenen Jahr auf ihrem Motorboot gefeiert hatten. Sushi hätten sie genossen und schwimmen seien sie gewesen.

 

Unvergesslich seien die Partys im Clube de Campo São Paulo, erklärte meine Sprachlehrerin. Das Gros der Paulistanos verbrächte die Nacht der Nächte allerdings am Strand.

 

Kaum wieder aus Deutschland zurückgekehrt, war die sofortige Weiterreise, vermutlich verbunden mit kilometerlangen Staus, wie wir sie bereits zu anderen Feiertagen erlebt hatten, jedoch keine Option. So schied auch Buenos Aires aus, mit dem ich kurzfristig geliebäugelt hatte, zumal wir diesen Tag in unserem Land verbringen wollten

 

Auf der Weihnachtsfeier der Brasil Post erhielten wir schließlich den entscheidenden Hinweis für unser erstes Silvester auf dem neuen Kontinent. Beeindruckend sei die Terraço Itália. Von dort aus könne man die gesamte Stadt überblicken. Die Atmosphäre sei großartig, das Essen exzellent. In jedem Fall sei dies ein besonderes Erlebnis, insbesondere für das erste Silvester.

 

Sollte die Terraço Itália ein Geheimtipp sein? Nachdem die Internetseite nicht über die bevorstehende Festivität informierte, blieb nur der Anruf, auf den eine E-Mail mit den wesentlichen Informationen folgte. Sitzpläne, Menüs und Hinweise zu den allgemeinen Konditionen waren enthalten, ebenso wie eine Auskunft zum Dress Code, der uns noch reichlich beschäftigen würde.

 

Wir entschieden uns für die Piano Bar in der 42. Etage. Von dort sollte der Ausblick unbeschreiblich sein. Sieben Tische standen noch zur Verfügung, 16 waren bereits reserviert. Tisch 93 sollte unser Tisch werden, nah an Fenster und Büffet, auf der gegenüberliegenden Seite des Saales die Band und eine Tanzfläche.

 

Kaum wieder in São Paulo gelandet, begannen wir mit den Vorbereitungen für unseren Abend. Nachdem ich mich in Deutschland für polierte Fingernägel im Stile des Landes entschieden hatte, galt es nun, die Fingernägel wieder nach brasilianischem Standard stylen zu lassen. Ich entschied mich für einen milchig weißen Ton mit einem Hauch zartrosa, denn weiß sei die Farbe für Réveillon.

 

Männer wie Frauen trügen weiße Kleidung, strahlendweiß oder naturweiß. Auch Silber und Gold seien akzeptabel, erklärte Tereza, meine wertvolle Beraterin in allen brasilianischen Angelegenheiten, die mich auch über die allgemeinen Silvesterbräuche ins Bild setzte, die wir in diesem Jahr mutig unberücksichtigt ließen. Weiß symbolisiere Frieden, Gleichgewicht und Harmonie, erfuhr ich. Silber repräsentiere Modernität und Schutz und Gold steht für Erfolg und Freude.

 

Für mich war die Kleidungsfrage relativ schnell entschieden, auch wenn die weihnachtlichen Genüsse dazu geführt hatten, dass die naturweiße Pracht mit Gold und silbernen Akzenten hauteng saß, in Brasilien glücklicherweise absolut en vogue.

 

In Anbetracht der Location hatte sich mein Mann entschieden, Smoking zu tragen. Nachdem ich ihn aufgeklärt hatte, dass diese Wahl den Gepflogenheiten des Landes entgegenstünde, sollte seine Assistentin recherchieren, ob diese landestypische Sitte auch für die Gäste der Terraço Itália gelte. „Es gibt keinen Zwang, weiß zu tragen. Doch wenn Sie Smoking tragen, werden Sie wahrscheinlich der Einzige sein. Die Mitarbeiterin sagte, dass sie auf der Party noch nie jemanden mit Smoking gesehen habe. Eine Krawatte müssen Sie auch nicht unbedingt tragen. Schauen Sie beim Google nach “Passeio completo”. Das taten wir und zusätzlich studierten wir die Schaufensterauslangen im Shopping Morumbi, die in der Männermode allerdings nicht ganz eindeutig waren.

 

Letztlich kam auch mein Mann zu einer Entscheidung und wählte seinen silbergrauen Anzug kombiniert mit weißem Hemd, ohne Krawatte.

 

Blieb die Frage, wann wir uns auf den Weg machen würden. “A partir das 21h00”, ab 21.00 Uhr, hieß es im Informationsmaterial für die Piano Bar. Diese Angabe sei nicht eindeutig, erklärte mein Mann, zu meinem Erstaunen. Es könne, neben einem Hinweis auf die Öffnung der Piano Bar, auch bedeuten, dass das Büffet um diese Zeit eröffnet würde. Auch wenn mir dieser Einwand akademisch deutsch vorkam, rief ich Tereza an, um ihre Meinung zu erfragen. „Ich würde nicht vor 21.30 oder 22.00 Uhr dort sein, denn die Erste würde ich nicht sein wollen“. Dieser Hinweis überzeugte meinen Mann, der mich daraufhin bat, ein Taxi zu bestellen.

 

Ich rief also bereits nachmittags bei unserem Ponto, dem nächstgelegenen Taxistand an, um einen Wagen für den Abend zu reservieren. Das sei nicht üblich, erklärte der Fahrer, der das Telefon beantwortete und bat mich, abends, vor Fahrtantritt, erneut anzurufen.

 

Wie sich die Suche nach einem Taxi gestaltete und was wir an diesem Abend erlebten, wird Gegenstand der nächsten Kolumne sein.