Als ginge die Welt unter…

Der Himmel verdunkelt sich, der Wind wird stärker, handtellergroße Regentropfen prasseln auf den heißen Asphalt. Es blitzt und donnert, bis plötzlich wachteleiergroße Hagelkörner vom Himmel fallen. Ein Wetterereignis, wie es nur in den Subtropen zu erleben ist.

Es hatte sich angekündigt, doch ich wollte an diesem Dienstag vor dem großen Regen noch schnell einen Einkauf erledigen.

 

Als ich gerade bezahlte, brach das Unwetter herein. Eine Menschtraube sammelte sich im Eingangsbereich des kleinen Geschäfts, denn selbst der Regenschirm, mit dem der Paulistano in den Sommermonaten stets ausgestattet ist, vermag da nichts auszurichten. In diesen Momenten steht die Welt plötzlich still.

 

Schon am Wochenende zuvor waren wir von einem gewaltigen Regen heimgesucht worden. Als wir die Tür unseres Apartments öffneten, war es bereits geschehen: Nicht einmal mehr die Balustrade unseres etwas über ein Meter tiefen Balkons war zu erkennen. Kraftvoll prasselte der Regen vom schwarzen Himmel gegen die großen, bis zum Boden reichenden Panoramafenster. Ein starker Wind, der über den Balkon gefegt war, hatte unsere über zwei Meter hohe Pleomele reflexa, in Deutschland als Drachenbaum bekannt, in ihrem massiven Topf längst umgeworfen.

 

Schlimmer noch: Teile des Wohnzimmers waren überflutet und der Regen peitschte noch immer unvermindert gegen die Scheiben. Selbst wenn die leicht geöffnete Balkontür gänzlich geschlossen gewesen wäre, hätte sich das gleiche Bild geboten, denn später, bei geschlossener Tür, drangen die Wassermassen weiter durch die undichten Türen. Selbst diverse Putzlappen vermochten diese nur bedingt zu stoppen.

 

Fassungslos feudelten wir den Boden, denn wir wohnen nicht etwa im Erdgeschoss. Nein, wir leben im 16. Stockwerk. Nicht einmal eine Stunde später hatte sich der Wind gelegt. Die Sonne strahlte. Alles war, als hätte es diesen unglaublich starken Regen nie gegeben.

 

Ähnliches erlebte ich auch am Dienstag. Während draußen das Unwetter tobte, plauderte ich mit der Inhaberin des Geschäfts, das ich leichtsinnigerweise vor dem Regen besucht hatte, über ihr Sortiment, den Gesundheitszustand der Schwiegermutter und allerlei mehr. Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, legte sich der Wind. Regen und Hagel hörten unvermittelt auf und die Sonne strahlte wieder in ihrer ganzen Kraft, nachdem es Minuten zuvor den Anschein hatte, als ginge die Welt unter.

 

Ich machte mich auf den Heimweg, ohne den Schirm auch nur aufspannen zu müssen. Einmal mehr war ich allerdings dankbar für meine Havaianas, die Flipflops aus Kautschuk, denn alle Straßen in der Umgebung waren unterspült und die desolaten Bürgersteige waren zu reißenden Flüssen geworden. Ich balancierte auf dem Gehweg hin und her, mal nach links, mal nach rechts, herum um die besonders tiefen Krater, die sich in riesige Wasserlöcher verwandelt hatten, in der Hoffnung, die zweieinhalb Blocks so trocken wie möglich zurückzulegen. Diejenigen, die keine Havaianas trugen, tänzelten elegant und noch vorsichtiger um eben jene Wasserlöcher herum oder zogen sich einfach die Schuhe aus.

 

Auf der gesamten Strecke gelang es mir nicht, die Avenida Padre Antonio Jose dos Santos, deren Nebenstraßen ich geschickt passierte, zu überqueren. Also ging ich weiter, bis ich an eine Stelle kam, an der ein eifriger Faxineiro, die Reinigungskraft des nahegelegenen Hauses, alles daran setzte, den durch die herabgefallenen Blätter völlig verstopften Gully freizuschaufeln, um die Straße passierbar zu machen.

 

Dieses Mal machte mir die Nebenstraße Probleme, in die ich weiter hineingehen musste, um sie nach vielleicht 50 Metern überqueren zu können. Während der Faxineiro noch mit dem Laubwerk kämpfte, hatten die Damen der gegenüberliegenden Geschäfte ihre Arbeit bereits getan und für den reibungslosen Ablauf der Wassermassen gesorgt.

 

Nachdem ich nun endlich die Avenida Padre Antonio Jose dos Santos überquert hatte und nur noch ein halber Block vor mir lag, bot sich mir an unserer Straßenecke ein Anblick der Verwüstung. Ein Baum war umgestürzt und hatte unter sich ein Auto und zwei Telefonzellen begraben. Erschüttert standen die Mitarbeiter der angrenzenden kleinen Immobilienfirma davor und begutachteten den Schaden.

 

Im Apartment angekommen, war ich wenig verwundert, dass sich einmal mehr auf dem Fußboden unseres Wohnzimmers kleine Rinnsale gebildet hatte. Nachdem auch dieser Wetterschaden beseitigt war, machte ich mich erneut auf den Weg. Dieses Mal nach dem Regen.

 

Überall waren Reinigungskräfte, Geschäftsinhaber oder private Hauseigentümer dabei, die Folgen des Naturereignisses zu beheben. Einfahrten wurden gefegt oder mit dem Gartenschlauch vom Laub befreit, kleinere Reparaturen wurden vorgenommen. Alles völlig unaufgeregt und routiniert.

 

Vor dem Immobiliengeschäft waren inzwischen die Bombeiros, die Feuerwehr, eingetroffen. Wenig später war der Baum vollständig gefällt, das Auto und die Telefonzellen befreit. Bereits kurz nach dem Regen war alles wieder so wie zuvor.