Trifft die Kokosnuss auf den Pfirsich

Vivian Manasse Leite, die im Rahmen des Treffpunkt São Paulo, eines monatlichen deutschsprachigen Frühstücks zum Thema „Interkulturelle Herausforderungen in Brasilien“ referierte, begann assoziativ: Was den Teilnehmerinnen bei Kokosnuss und Pfirsich in den Sinn käme, wollte die Deutsch-Brasilianerin wissen. Ihr Einstieg, der klassische Icebreaker, erfüllte seine Funktion, doch die Expertenantwort blieb sie vorerst schuldig.

 Die Juristin, die nach mehreren Auslandsaufenthalten ihre ursprüngliche Profession an den Nagel gehängt hatte und nun ein Unternehmen für Kulturtraining führt, setzte auf Interaktion und forderte die Teilnehmerinnen auf, farbige Klebezettel mit bestimmten Informationen zu versehen: Name und Haupteigenschaft, Herausforderungen und Warum Brasilien?

 

Allerlei Herausforderungen wurden aufs Tapet gebracht, mit denen sich die zahlreicher als sonst erschienen Teilnehmerinnen, herumschlagen: Arbeit, eine sinnvolle Beschäftigung, die eigene Verwirklichung wurde am häufigsten genannt, gefolgt von der Problematik Sprache.

 

Auch die Herausforderung Familie wurde immer wieder angeführt. Vom Bestreben, die eigenen Bedürfnisse mit denen der Familie in Einklang zu bringen bis zu ganz konkreten Problemen reichte das Spektrum. So formulierte eine Teilnehmerin den Wunsch, die Tochter auf den richtigen Weg bringen zu können. Ähnlich das Anliegen einer anderen Mutter, den Sohn zur Erledigung der Hausaufgaben motivieren zu können. Familienpower wünschte sich eine, Geduld und Verständnis andere – für den Alltag, insbesondere mit Kindern. Sich zu organisieren, die eigene Zeit sinnvoll einzuteilen, führten manche als Schwierigkeit an.

 

Die Realität zu akzeptieren, in São Paulo zu leben, erklärten zwei Teilnehmerinnen zu ihrer persönlichen Herausforderung. Der Wunsch danach, sich wohlzufühlen, sich auszukennen in der Megacity São Paulo wurde ebenfalls immer wieder genannt. Weite Wege - das nach deutschen Maßstäben immense Verkehrsaufkommen - machten vielen zu schaffen.

 

Wieder andere fühlten sich allein, wünschten sich Kontakte, einen soliden Freundeskreis. Langjährigen „Paulistanas auf Zeit“ wiederum war es ein Anliegen, mit dem Kommen und Gehen der Freunde zurechtzukommen.

 

Die brasilianische Kultur und Mentalität zu verstehen, mit Unzuverlässigkeit umgehen zu lernen, erhofften sich manche, andere möchten gern die deutsche Kultur bewahren.

 

Herauszufinden, was die eigene Mission sei, riet die Expertin – ganz unabhängig von Mann und Kindern. Ein interessanter, in den Raum gestellter Ansatz.

 

Kurse zu besuchen, sei ein probates Mittel, berichtete die Unternehmerin weiter. Allein, ohne Freundinnen, um die Sprache zu lernen und mit Brasilianern in Kontakt zu kommen. Tauchten nämlich mehrere Freundinnen oder gar eine ganze Gruppe in einem Kurs auf, gewänne der Brasilianer den Eindruck, dass eine Kontaktaufnahme seinerseits unnötig, unerwünscht oder gar sinnlos sei. Der Brasilianer sei insgesamt wohl etwas sensibler als der entschlossene Deutsche. Er gleiche einem Pfirsich, der Deutsche hingegen eher einer Kokosnuss. Da trifft die weiche Außenhülle mit hartem Kern auf die harte Außenhülle mit weichem Kern. Ein kurz angerissenes Dilemma, an wenigen Beispielen verdeutlicht.

 

Wieder wurde es gruppendynamisch. Zettel wurden verteilt mit Begriffen, die es in der Gruppe, am Tisch, zu diskutieren galt. Schule, Dienstleistungen und Empregada, die Hausangestellte, wie sie hier allgemeinhin übersetzt wird, standen auf dem Stundenplan. Interessant die sehr persönlichen Erfahrungen in der „Empregada-Gruppe“: Von raumgreifenden Persönlichkeiten wurde berichtet, mit denen es schwer auszuhalten gewesen sei. Dies, so war zu erfahren, hatte die ein oder andere dazu bewogen, selbst wieder den Putzlappen zu schwingen.

 

Diese Form der Problemlösung sei für eine Brasilianerin undenkbar, kommentierte die deutsch-brasilianische Kulturtrainerin, die ihrerseits eine überraschende Geschichte, zum Besten gab. So sei es durchaus nicht ungewöhnlich, wenn sich die Empregada schon einmal R$ 2.000 von ihrem Arbeitgeber leihen wollte. Dieser solle, so er ihr grundsätzlich vertraue, sicherstellen, dass der Betrag monatlich abgezahlt würde. Seien zehn Raten zuverlässig gezahlt worden, sollte man überlegen, ob man die ausstehenden Raten, je nach Monat, zu den wiederkehrenden Festen oder zum Geburtstag schenkt.

 

Nicht nur im Hinblick auf den Austausch über die Empregadas wurde deutlich, wie unterschiedlich die Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten im gleichen Gastland sein können, ganz zu schweigen von den persönlichen Werten und Maßstäben. Kulturtraining zum Frühstück, ein großartige Idee mit interessanten Denkanstößen.