Als ich am vergangenen Wochenende mit etwas Mühe weitere Geldscheine hinzufügte, schlug mein Mann vor, ein Sparkonto zu eröffnen. Keine schlechte Idee, diese Option sollte ich recherchieren.
Ich befragte eine Freundin, denn wenn jemand ein Sparbuch hätte, dann sicherlich sie. Und tatsächlich: Sie habe eine poupança, ein Sparbuch, kostenfrei. Allerdings habe sie bei der gleichen Bank auch ein conta-corrente, ein Girokonto, erklärte sie weiter. Dass sie Brasilianerin ist und damit die Grundvoraussetzungen andere sind, kam mir erst in den Sinn, als sie ausführte, dass ich bestimmt eine poupança bekommen könne, in jedem Fall, wenn mein Mann sie für mich eröffnen würde und sie an sein Konto gebunden sei.
So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich recherchierte weiter auf den Internetseiten der Bank meines Mannes, und staunte. Für estrangeiros, für Ausländer, wurde ein spezielles Paket angeboten, mit R$ 25.000 Mindesteinlage. Um diese Summe anzusparen, würde ich, ausgehend von meiner aktuellen Situation, wohl Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen.
Irgendeine Möglichkeit müsste es doch geben. Ich beschloss, mein Glück vor Ort, in der Bankfiliale, zu versuchen. Vorher wäre es sicher ratsam, den Besuch mit meiner Sprachlehrerin zu trainieren. In der nächsten Unterrichtsstunde trug ich ihr also mein Anliegen vor. Bevor wir uns mit den einschlägigen Vokabeln und sprachlichen Finessen auseinandersetzten, meldete auch sie ihre Bedenken im Hinblick auf die Eröffnung eines eigenen, individuellen Sparkontos an. Um ihre Argumente zu untermauern, zog die stets perfekt organisierte Professora aus ihrer Brieftasche eine kleine Broschüre ihrer Bank hervor, die wenig Anlass zur Hoffnung gab. Doch ich insistierte und lernte: “Eu quero abrir uma conta poupança”. (Ich möchte ein Sparkonto eröffnen.) “Meu marido é um cliente do banco, mas a conta não é conjunta. Eu só tenho um cartão de crédito”. (Mein Mann ist Kunde Ihrer Bank, doch es handelt sich nicht um ein gemeinsames Konto. Ich habe lediglich eine Kreditkarte.) “Eu não preciso de conta-corrente”. (Ich benötige kein Girokonto.) “Tem taxa de manutenção?” (Fallen Kontoführungsgebühren an?) Und die wohl wichtigste Frage: “Vocês têm uma aplicação minima?” (Gibt es eine Mindesteinlage?).
Ich solle mein Glück einfach versuchen, erklärte die Sprachlehrerin schließlich. Wenn es bei der Hausbank meines Mannes nicht funktionieren würde, sollte ich es bei anderen Banken in der Umgebung versuchen. Bei der Caixa Econômica Federal, in Brasilien auch kurz CAIXA (deutsch: Sparkasse) genannt, würde ich vielleicht doch erfolgreich sein, dort seien sicher keine RS 25.000 erforderlich. Die nach der Banco do Brasil zweitgrößte Bank Brasiliens sei gegründet worden, um auch ärmeren Menschen Bankdienstleistungen anzubieten. Hier gäbe es bestimmt keine hohe Mindesteinlage, auch nicht für Ausländer.
Ich stellte meine Unterlagen zusammen, nahm meinen Reisepass, das protocolo de permanência, das vorläufige Dokument über die permanente Aufenthaltsgenehmigung, und meine aktuelle Handyrechnung als comprovante de endereço, als Adressnachweis, mit, denn Meldebescheinigungen, wie sie in Deutschland existieren, gibt es in Brasilien nicht.
Auf dem Weg zur Bank telefonierte ich mit meinem Mann, der, so angetan er von meinem Anliegen und meiner Entschlossenheit war, ebenfalls Zweifel am Erfolg meines Vorhabens hatte. Wenn Du schnell (ohne zum Ziel gekommen zu sein) fertig bist, können wir erst einen Kaffee im Büro trinken und dann zum Essen gehen. Du wirst schon sehen, dachte ich bei mir, und betrat um 12.28 Uhr die Bank.
Die freundliche Rezeptionistin hörte sich mein Anliegen an und schickte mich in den exklusiveren Bereich der Filiale, in den ich meinen Mann zuvor bereits zur Erledigung seiner Bankgeschäfte begleitet hatte.
Nachdem ich mich dem dortigen Rezeptionisten erklärt hatte, bat der mich kurz zu warten. Sekunden später erschien schließlich eine ausgesprochen sympathische Bankerin, die mich, als ich berichtete, dass ich eine eigene, nicht an meinen Mann gebundene poupança eröffnen wolle, in den Hauptbereich der Filiale begleitete und erklärte, dass Luciana sich meiner annehmen würde.
Als Luciana den Kunden, der vor ihr saß, verabschiedet hatte, winkte sie mich lächelnd heran. Einmal mehr legte ich mein Anliegen dar, woraufhin sie kurz mit ihrer Vorgesetzten sprach, das entsprechende Antragsformular zückte und sich sodann kurzzeitig verabschiedete. Nachdem sie mit den Kopien meiner Unterlagen zurückkehrt war, bat sie mich darum, zwei Referenzen anzugeben.
Sollte es jetzt daran scheitern? Schriftliche Referenzen hatte ich zuvor nicht eingeholt. Kein Problem. Ich solle einfach die Telefonnummern zweier Personen, die mich hier in São Paulo kennen würden, auf der Rückseite meiner Visitenkarte notieren, erklärte die Bankangestellte brasilianisch.
Während Luciana mit der Kontoeröffnung beschäftigt war, stellte ich schließlich eher zögerlich die entscheidende, bislang nicht diskutierte Frage nach der Mindesteinlage und erkundigte mich nach den Kontoführungsgebühren. Ein Real würde genügen, die Kontoführung sei kostenfrei, erklärte die engagierte Jungbankerin, die zwischendurch immer wieder den Kollegen am Nachbarschalter konsultierte.
Auf einem kleinen Schmierzettel überreichte sie mir schließlich meine Kontonummer. Fertig? Einfach so? Ohne einen einzigen Real eingezahlt zu haben. Ja, innerhalb der kommenden sechs bis zehn Tage würde mir per Post meine cartão movimentador, die Kontokarte, zugeschickt werden.
Ob ich mein Erspartes nun einzahlen könnte, wollte ich wissen. Selbstverständlich - ich müsste nur kurz eine Nummer ziehen. Ihr Kollege würde die Einzahlung übernehmen.
Um 12.58 Uhr, nach nur 30 Minuten, hielt ich schließlich den COMPROVANTE DE MOVIMENTO, den Kontobewegungsbeleg, mit der DEPOSITO No. 002730 in Händen, den ich meinem Mann um 13.10 Uhr stolz auf den Tisch legte.
P.S.: Als ich zuhause, glücklich darüber, dass die Kontoeröffnung so unkompliziert verlaufen war, die allgemeinen (nicht auf estrangeiros zugeschnittenen) Hinweise zur Eröffnung einer poupança durchlas, stellte ich fest, dass ich, ohne Girokonto bei der gleichen Bank, eigentlich R$ 100 hätte einzahlen müssen. Auch wäre ein comprovante de renda, ein Einkommensnachweis, erforderlich gewesen. Faszinierend! In diesem als ausgesprochen bürokratisch geltenden Land ist mir nach der CPF, der Steuernummer, auch das Sparkonto nahezu in den Schoß gefallen.