“Os esforços e as alegrias de uma fotógrafa amadora” oder „Die Mühen und Freuden einer Amateurfotografin“ (1)

Stichwort Geschichte

Um über die saisonal stark angestiegenen Aktivitäten innerhalb der deutschen Community im Bilde zu sein, hatte ich den Newsletter des Club Transatlântico studiert und war so – eher zufällig – auf den III Prêmio de Fotografia 2012, einen Fotowettbewerb zum Thema “Verde na Metrópole”, „Grün in der Stadt“, gestoßen.

Diese Ausschreibung könnte etwas für meinen Mann sein, der einige Monate zuvor seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckt hatte. Tatsächlich vergeht kein Wochenende, an dem wir nicht mindestens eine Fotosafari unternehmen, häufig mit erstaunlichen Ergebnissen. Kommentarlos leitete ich den Newsletter weiter, gespannt, ob mein Mann das Stichwort Fotowettbewerb, das ich in die Betreffzeile geschrieben hatte, aufgreifen würde.

 

Mit dem Oktoberfest des Club Transatlântico gewann die Causa Fotowettbewerb, zu der sich mein Mann bis dahin eher vage geäußert hatte, an Dynamik. Im Rahmen einer harmlosen Plauderei hatten wir aus Insiderkreisen erfahren, dass viel Wert darauf gelegt würde, dass die drei einzureichenden Fotos eine in sich schlüssige Geschichte erzählten.

 

Es war, als hätte sich mit diesem Stichwort ein Schalter umgelegt. Während mein Mann das kurze Gespräch weiterführte, kam mir, ohne dass ich zuvor eine eigene Teilnahme ernsthaft in Erwägung gezogen hatte, die zündende Idee.

 

Ich könnte über Menschen berichten, die das Grün in die Megacity bringen, zum Beispiel über die Akteure des CEASA, des drittgrößten Blumenmarktes weltweit. Doch damit war es nicht getan.

 

Zwei Tage später begann ich mit der Recherche, denn das Thema ließ mich nicht mehr los. Ich stieß auf eine Hilfsorganisation, von deren Begrünungsprojekt ich begeistert war. Nun hatte ich zwei Motive.

 

Mit dem CEASA würde ich den kommerziellen und mit der Hilfsorganisation den privaten Sektor abbilden, indem ich deren idealistisch motiviertes Projekt präsentierte. Blieb der öffentliche Sektor.

 

Immer wieder waren mir uniformierte Männer aufgefallen, die für die Prefeitura, die Stadtverwaltung, Bäume beschnitten. Das wäre ein eindrucksvolles Motiv, doch ich könnte nicht tagelang durch die Stadt streifen, in der Hoffnung, einem Trupp zu begegnen.

 

Sicher würde mich der Internetauftritt der Prefeitura weiterbringen. Doch weit gefehlt, wie ich nach ausführlicher Durchsicht der Seiten der Secretaria Municipal do Verde e do Meio Ambiente, des Referats für Grün und Umwelt der Stadt São Paulo, feststellen musste.

 

Ich berichtete meiner Sprachlehrerin von meinem Vorhaben und meiner Recherche in Sachen Prefeitura. „Ich nehme Dir nur ungern Deine Illusionen, doch ich muss Dir leider mitteilen, dass es nur einen einzigen Grund gibt, warum die Prefeitura die Bäume beschneidet: Es gilt, die Strommasten zu schützen und Stromausfälle zu verhindern. An die Umwelt denkt die Prefeitura hier nicht“, erklärte die informierte Paulistana.

 

Plötzlich erinnerte ich mich an ein Schulprojekt, das mir im Rahmen meiner Recherche ins Auge gefallen war. Allerdings, so erklärte ich, hätte ich hierzu nicht allzu viele Informationen und vor allem keine Kontaktdaten gefunden. „Lass mich einmal in der Zentrale der Secretaria Municipal do Verde e do Meio Ambiente anrufen. Vielleicht kann dort jemand weiterhelfen“, erklärte meine Sprachlehrerin hoffnungsvoll, und ließ sich die Telefonnummer diktieren.

 

Das Telefonat zog sich in die Länge, denn Heloisa wurde nicht nur einmal weiterverbunden und erhielt schließlich eine Telefonnummer, unter der sie mit einem für das Schulprojekt zuständigen Mitarbeiter sprechen könnte.

 

“Tá bom”, gut, “tá”, ja, “tá okay” – viel mehr sagte Heloisa während dieses zweiten, kurzen Gesprächs nicht, doch ihr Blick war nicht gerade verheißungsvoll. Wegen der Bürgermeisterwahlen, so berichtete sie anschließend, sei das Schulprojekt ausgesetzt. Aktuell würde dies nur im Interior, dem Landesinnern des Bundesstaates São Paulo, durchgeführt. Beiläufig berichtete Heloisa dann vom Viveiro Manequinho Lopes, einer Gärtnerei auf dem Gelände des Parque Ibirapuera, die der Prefeitura untersteht. Doch diesen Ansatz vertieften wir nicht.

 

Am gleichen Abend, im Rahmen der Feier des Tages der Deutschen Einheit, wieder im Club Transatlântico, beschloss ich, mein Projekt weiter voran zu bringen. Nachdem ich den CEASA, den Blumenmarkt, im März mit einer Gruppe deutscher Ikebana-Schülerinnen besucht hatte, schwebte mir zur Umsetzung meines Fotoprojekts eine ähnliche Konstellation vor, denn so hätte ich die Möglichkeit, unkompliziert Kaufsituationen oder Interaktionen mit den Carregadores, denjenigen, die die Waren zum Auto bringen, abzulichten.

 

Kaum hatte ich der Blumenfee, die ich im Kontext des vergangenen CEASA-Besuchs kennen gelernt hatte, mein Projekt umrissen, erhielt ich ein positives Signal. Wir könnten uns gern für den Freitag der kommenden Woche verabreden. Das würde zwar eng, doch ich war glücklich über die Begleitung und zuversichtlich, dass ich mein Projekt im Zeitrahmen abschließen könnte.

 

Eine Schrecksekunde stellte sich allerdings ein, als ich zuhause feststellte, dass das von uns in Auge gefasste Datum auf einen Feiertag fallen würde. Hoffentlich könnte die Blumenfee auch am Dienstag vor dem Feiertag, denn andernfalls müsste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Sie konnte und ich hatte eine Sorge weniger.

 

Fristende in elf Tagen

Nun tickte die Uhr wirklich, denn noch hatte ich kein einziges Foto für den III Prêmio de Fotografia 2012 geschossen. Ich hatte zwar eine Verabredung für den Besuch des CEASA getroffen, mehr aber eben nicht.

 

Ich müsste Kontakt mit dem Hilfswerk aufnehmen und mit der Prefeitura weiterkommen. Endlich machte ich Nägel mit Köpfen. Ich bereitete eine Mail an das Hilfswerk und die Prefeitura vor, die ich sicherheitshalber mit einem Kollegen meines Mannes durchsprach, denn die Anzahl meiner offiziellen, auf Portugiesisch verfassten Mails, hält sich noch in Grenzen. „Die Mails sind gut“, lobte der Kollege. „Wenn Sie nicht weiterkommen, melden Sie sich einfach. Ich rufe parallel auch einmal bei der Prefeitura an. Vielleicht finde ich etwas heraus“, schloss er.

 

Hektik auf dem CEASA

Um 6.30 Uhr, zehn Tage vor Ablauf des Wettbewerbs, traf ich zusammen mit der Blumenfee auf dem CEASA ein, der zu diesem Zeitpunkt bereits anderthalb Stunden in vollem Gange war.

 

Die Kamera war griffbereit. Ich legte los, denn meine Stärke, so hatte ich bislang gedacht, liegt im situativen Fotografieren. Doch so einfach, das war schnell klar, würde es nicht werden, denn wenn immer ich eine Situation oder einen Protagonisten ins Auge gefasst hatte, hatte sich das Motiv in spe auch schon wieder weiterbewegt.

 

Mit der rasenden Geschwindigkeit, mit der hier Geschäfte abgewickelt werden, hatte ich nicht gerechnet. Ich produzierte gefühlt tausende verwackelter Bilder, lichtete Hinterteile oder abgeschnittene Extremitäten ab.

 

Verharrte einmal ein potentieller Protagonist für wenige Minuten, tat er dies selbstverständlich im Gegenlicht. Es war zum Verrücktwerden, bis plötzlich ein Hoffnungsschimmer aufkeimte, denn ein sympathischer Mann sprach mich an und erklärte, dass ich ihn gern vor seinen riesigen Palmen ablichten könne. Ich konnte mein Glück nicht fassen, denn fotogen war der junge Mann noch dazu. Ich knipste drei Mal, bis der nächste Kunde kam. Endlich hatte ich mein Bild im Kasten.

 

Doch sicher ist sicher. Wenige Meter weiter prüfte ich das Material und musste feststellen, dass zwei Bilder nicht ganz scharf waren und meinem Model beim dritten, soweit gelungenen Foto ein Palmenblatt im Gesicht hing. Fast erleichtert stellte ich kurz darauf fest, dass die Akku-Kapazität erschöpft war, denn ich war es auch. Irgendein brauchbares Foto würde schon dabei sein, hoffte ich.

 

Eine folgenreiche Busfahrt

Mein Mobiltelefon klingelte, während ich am Nachmittag meines CEASA-Abenteuers mit dem Bus unterwegs war. Mein persönliches Worst Case Szenario, denn noch bin ich am Telefon etwas unsicher, wenn es darum geht, komplexe Sachverhalte in Portugiesisch zu kommunizieren. Im Bus ist dies gleich drei Mal so schwierig, da ich selbst meinen Mann, der klarstes Deutsch spricht, in diesem geräuschvollen Verkehrsmittel selten verstehe.

 

Da ich die Rufnummer nicht kannte und nicht riskieren wollte, einen Anruf der Hilfsorganisation oder gar der Prefeitura zu versäumen, nahm ich den Anruf tapfer entgegen. “Esther?”, hörte ich eine leise Stimme, die klang, als befände sich der Sprecher am anderen Ende der Welt. “È ela”, antwortete ich tapfer. „Ich rufe von den Gemeinschaftsgärten, der Hilfsorganisation, an“, waberte es auf Deutsch durch die schlechte Leitung. „Das ist großartig“, brüllte ich in das kleine Telefon und spürte, wie sich die Blicke der Busfahrenden aus den Vorreihen in meine Richtung orientierten. Ich könne gern morgen vorbeikommen, führte der Mann aus. „Das passt ausgezeichnet. Ich komme gern“, erklärte ich begeistert! Die Wegbeschreibung würde er mir per Mail zuschicken.

 

Ein Weg ans andere Ende der Megacity-Welt lag vor mir…