Es begann im Juli 1981, als ich die Hochzeit von Prince Charles und Lady Diana Spencer im Fernsehen verfolgte. Das atemberaubende Brautkleid, die festliche Zeremonie, die prächtige Kutsche weckten meine Leidenschaft für Hochzeiten.
Berührt hat mich die Vermählung der Argentinierin Máxima Zorreguieta mit dem holländischen Kronprinzen Willem-Alexander, um die es durch den Vater der Braut, der als Staatssekretär für die argentinische Diktatur unter Präsident Videla tätig war, im Vorfeld zahlreiche Diskussionen gegeben hatte.
Zum Weinen brachte mich die Hochzeit der Bürgerlichen Mary Donaldson mit dem dänischen Thronfolger Kronprinz Frederik, denn es war die mit Abstand emotionalste Hochzeit, die ich je am Fernsehgerät verfolgt habe, insbesondere im Vergleich zu der vom Zeremoniell beherrschten Vermählung am spanischen Königshof, die im gleichen Monat stattfand.
Ich habe wirklich alle königlichen Hochzeiten gesehen, stets kommentiert von Rolf Seelmann-Eggebert, dem deutschen Adelsexperten, dessen Wissen mich jedes Mal beeindruckte. Ein solcher Kenner wäre hilfreich, dachte ich mir immer wieder, wenn ich selbst zu Hochzeiten eingeladen war.
So stand für mich Ende der 90er Jahre eine hinduistische Hochzeit in Philadelphia an. Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was mich erwartete, geschweige denn, wie ich mich kleiden sollte. Weder hatte ich je eine Hochzeit in den Vereinigten Staaten, noch eine nichtchristliche Zeremonie besucht. Eine besondere Erfahrung. Ich erlebte den Bräutigam, einen in Deutschland aufgewachsenen, nicht-religiösen Amerikaner mit indischen Wurzeln im traditionell indischen Hochzeitsgewand in einem Kontext, der auf den ersten Blick so gar nichts mit ihm zu tun hatte. Auch erforderte die unbekannte Zeremonie, die sich über Stunden hinzog, ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit. Denn nicht nur das Paar, das auf einem Podium um eine Art rituelle Feuerstelle herum saß, musste sich immer wieder erheben, sondern auch die Gäste. Es wurde viel rezitiert und gesungen auf dieser für mich exotischen Hochzeit.
Zwei Jahre später sollte es noch exotischer werden, dieses Mal allerdings im Hinblick auf die Location. Ich war zu einer Strandhochzeit auf dem eleganten Paul Mitchell Estate in Lanikai auf der Hawaii-Insel O’ahu eingeladen. Eine elegante Strandhochzeit – für mich damals ein Oxymoron, insbesondere da bei den Amerikanerinnen auf der indischen Hochzeit das kleine Schwarze hoch im Kurs gestanden hatte. Auch wenn ich keinen kleidungstechnischen Fauxpas beging: Hätte ich damals bereits in Brasilien gelebt, hätte ich vermutlich ein anderes, weniger konventionelles Outfit gewählt.
Im Vergleich zu dem, was ich wieder einige Jahre später auf einer Hochzeit in Berlin-Neukölln erlebte, war die indische Hochzeit geradezu ereignisarm. Türkische Hochzeiten sind ein echtes Spektakel. Um die 1.000 Gäste hatten sich in einem riesigen Festsaal versammelt – dicke türkische Mütter mit Kopftüchern, stark geschminkte junge Frauen mit aufwändigen grellen, meist knallroten sehr kurzen oder langen Kleidern, alte Männer mit klassisch türkischen Häkelmützen und junge Männer im Anzug, mit offenem Hemd und Goldkette, gern auch mit verspiegelter Sonnenbrille. Laute türkische Musik erfüllte den Saal, mal live, mal aus der Konserve. Apropos Konserve: Das Essen war großartig und ganz nach meinem Geschmack: Döner at its best! Beindruckend auch die langwierige Beschenkungszeremonie, in deren Verlauf jeder Gast dem Brautpaar Geld- oder Goldgeschenke überreicht.
Über die Jahre besuchte ich auch die ein oder andere klassisch deutsche Hochzeit. Ein Highlight unter ihnen war eine hessische Adelshochzeit vor wenigen Jahren. Als begeisterte „Bunte“-Leserin hätte ich allerdings wissen sollen, dass ein Hut mein sonst gelungenes Outfit abgerundet hätte.
Vor zwei Wochen nun stand meine erste brasilianische Hochzeit an. Könnte ich nur auf Rolf Seelmann-Eggebert als Berater zurückgreifen. Der wüsste bestimmt, ob ein kurzes oder ein langes Kleid geboten sei, denn in meinem Umfeld herrschte diesbezüglich Uneinigkeit. Ich konsultierte Google, in der Hoffnung, hier eine Antwort zu finden. Doch nachdem auch Google die Frage der Kleiderwahl nicht eindeutig beantwortete, vertagte ich die Entscheidung, die mich einige Zeit umtrieb, bis zu meiner Rückkehr aus Deutschland.
Kaum gelandet, probierte ich alle Outfits, die bereits in die engere Wahl gekommen waren, und entschied ich mich schließlich spontan für einen knielangen, eleganten Zweiteiler mit Mantel, alles aus schwerer, changierender Seide, denn zwei Tage vor dem Ereignis musste ein Ergebnis her.
Darüber, dass sich in Brasilien die Hochzeitsgäste generell sehr viel Mühe mit ihrem Outfit und Styling geben, waren sich alle Befragten einig.
Nachdem also die Kleidung ausgewählt war, galt es, sich dem Styling zu widmen, was sich als wirklich aufwändig herausstellen sollte.
Um 9.00 Uhr begann die Friseurin mit den Vorarbeiten, während die “Manicure” meine Nägel verschönerte. Mit Vogelnestern auf dem Kopf verließ ich um 11.00 Uhr den Salon zum ersten Mal an diesem Tag, um meine Kleidung von der Reinigung abzuholen. “Que linda”, wie schön, kommentierte die Reinigungsmitarbeiterin meine noch unfertige Frisur flüchtig, vermutlich verwundert darüber, welch sonderbare Frisuren Europäerinnen zu einer Hochzeit tragen.
Um 13.00 Uhr ging es erneut in den Salão de Beleza. Dieses Mal stand das Make-up auf der Agenda. Sie verwende deutsche Produkte, die für Theater und Film verwendet werden, erklärte die Visagistin stolz. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen!
Gegen 16.00 Uhr machte ich mich schließlich zum dritten Mal auf den Weg in den Tempel der Schönheit, dieses Mal, um die Hochsteckfrisur vollenden und ihr einen abendlichen Touch geben zu lassen, denn in Brasilien ist es nicht unüblich, dass selbst die kirchliche Trauung am Abend stattfindet. Nach nur zwanzig Minuten war aus den Vogelnestern eine elegante Abendfrisur geworden.
Da mein Mann noch in Deutschland zu tun hatte, würde mich einer seiner Mitarbeiter um 17.50 Uhr zur Hochzeit der Kollegin abholen.
Inzwischen war es 17.45 Uhr. Nichts vermochte mich mehr in der Wohnung zu halten. Aufgeregt fuhr ich nach unten. Im Eingangsbereich ergab sich sogleich die erste Möglichkeit, mein Outfit einer kritischen Prüfung zu unterziehen, denn ich traf eine stets gut gekleidete Nachbarin. Anerkennend musterte mich diese von oben bis unten und ließ sich gar dazu hinreißen, mein Aussehen zu kommentieren: “Que linda, que elegante!” Ich verabschiedete mich dankend und trat um 18.00 Uhr schließlich vor die Tür.
Es wurde 18.10 Uhr, bis Cristina, die Assistentin meines Mannes und gleichzeitig meine Freundin, die ebenfalls mitfahren wollte, mit ihrem Sohn eintraf. Die Hochzeit sollte um 18.30 Uhr beginnen. Unser Fahrer war nicht in Sicht.