Von Ausnahmepolizisten und einem Geländewagenfahrerinnen-Trauma

„Schau mal, gleich bricht die Frau da drüben theatralisch in Tränen aus. Garantiert findet sie irgendeine Erklärung dafür, warum sie keine andere Wahl hatte, als ihren Geländewagen ausgerechnet auf dem Behindertenparkplatz abzustellen“, kommentierte ich eine Szene, die ich vom Fenster eines Restaurants beobachtet hatte.


Als wir gerade darüber philosophierten, ob die Falschparkerin wohl mit ihrer für unseren Geschmack etwas zu offensichtlichen Show durchkommen würde, entfernte sich der Polizist vom Ort des Geschehens.


„Siehst Du, es hat funktioniert, ihre vermutlich äußert rührselige Geschichte über eine sterbende Oma – der Klassiker unter den Ausreden brasilianischer Arbeitnehmer zu Brückentagen – konnte das Herz des Polizisten erweichen“, setze mein Mann an, als der Polizist plötzlich erneut die Bühne betrat, bewaffnet mit einem Klemmbrett. „Sehr schön“, korrigierte sich mein Mann, „dieser Polizist nimmt seine Aufgabe offensichtlich ernst und lässt sich von diesem Theater nicht beeindrucken – Behindertenparkplätze sind nicht ohne Grund entsprechend gekennzeichnet“, erklärte er bestimmt.


Wenig später, als wir uns auf dem Weg in Richtung Büro bereits über andere tagesaktuelle Themen austauschten, ertönte auf der Fahrerseite plötzlich ein dumpfes Geräusch. Ein Geländewagen hatte uns an der Stelle, an der sich die Avenida Padre Antônio José dos Santos von drei auf zwei Fahrspuren verengt, von links kommend, gerammt. Noch während mein Mann ausstieg, bat er mich, Cristina, seine Assistentin, anzurufen. Sie möge doch bitte kommen, denn nicht noch einmal wollte er erleben, dass ihn ein Auto rammt und der Fahrer anschließend ungeschoren davon kommt.


So geschehen an einem Abend, an dem die Megacity im Regen versank, auf der Avenida Portugal, an einer Ampel vor einer Padaria. Während mein Mann darauf wartete, dass die Ampel auf Grün sprang, rauschte ein aus der Garage kommender Geländewagen in das Auto meines Mannes hinein. „Unfassbar, wie kann diese Frau in ein stehendes Auto fahren. Dann die Dreistigkeit, dass mir diese Martha, wenn sie denn so heißt, nur schnell einen Zettel mit ihrer Telefonnummer in die Hand drückt und wegfährt“, echauffierte sich mein Mann an diesem Abend. „Du wirst sehen, niemals wird die Frau für den verursachten Schaden aufkommen“.


Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen: „Was denn für ein Unfall?“ Sie wüsste nicht, wovon die Rede sei, erklärte die Fahrerin, als Cristina am nächsten Morgen anrief, um die Schadensregulierung zu besprechen.


Als die gewünschte Verbindung zu Cristina aufgebaut war, die uns in der aktuellen Geländewagen-Causa dabei unterstützen sollte, ein erneutes „Martha-Trauma“ zu verhindern, übergab ich meinem Mann, der derweil den Schaden begutachtet und kurz mit der Fahrerin des Geländewagens gesprochen hatte, das Telefon. „Wir müssen sofort die Polizei verständigen“, erklärte mein Mann in diesem Moment. Diese Unfallgegnerin sei vermutlich eine zweite Martha, führte er aus. Wie durch ein Wunder materialisierte sich nur wenige Meter hinter uns ein Streifenwagen, den ich erfolgreich heranwinkte. Doch es sollte noch besser kommen: Der vorbildliche Polizist, der kurze Zeit zuvor die Parksünderin, die auf dem Behindertenparkplatz gestanden hatte, zur Rechenschaft gezogen hatte, stieg aus.


Auf die Frage, was denn geschehen sei, erläuterte ich kurz den Vorfall. Ob wir unverletzt seien, wollte der Gesetzeshüter nun von uns und der Geländewagenfahrerin wissen, der er sich schließlich zuwandte. Sie könne nicht sagen, wie es genau dazu gekommen sein, wer welchen Anteil an dieser „Situation“ habe, erklärte sie vage und wiederholte, wie zuvor, als sie auf eine Klärung ohne Polizei gedrängt hatte, dass sie Kinder im Auto habe, die sie zur Schule fahren müsse.


Während die blonde Geländewagenfahrerin, der personifizierte Engel, nun per Mobiltelefon ihren Mann informierte und immer wieder beteuerte, dass ihr diese ganze „Sache“ völlig unerklärlich sei, setzte ich den Polizisten über die leidvolle Vorerfahrung meines Mannes ins Bild und betonte, dass er dies nicht noch einmal erleben möchte. „Where are you from?“, erkundigte sich der engagierte Polizist in akzentfreiem Englisch und entschuldigte sich sogleich für seine unzureichenden Sprachkenntnisse.


Ich war beeindruckt, insbesondere nach all den Horrorgeschichten, die ich über brasilianische Polizisten gehört hatte. Dieser Beamte war nicht nur gewissenhaft. Er agierte hochprofessionell, war zurückhaltend, höflich und mehrsprachig – seine Bescheidenheit in allen Ehren.


Ob denn bei diesem ersten Unfall die Polizei involviert gewesen sei, wollte der Ausnahmepolizist wissen. Nein, dies sei sicher ein Fehler gewesen, räumte ich ein. Heute könnten wir ganz und gar unbesorgt sein, erklärte er. Er würde nun die Daten aufnehmen und uns anschließend zur nächsten Polizeidienststelle eskortieren, wo die Parteien ihre jeweilige Version des Unfallgeschehens zu Protokoll geben könnten.


Eine Aussage könne sie jetzt nicht machen, erklärte der blonde Engel sogleich, es sei inzwischen höchste Zeit, die Kinder endlich zur Schule zu bringen. Gern würde sie uns zur Klärung der Angelegenheit ihre Telefonnummer geben. Da hatte Martha II ihre Rechnung ohne den Ausnahmepolizisten gemacht, der nicht nur alle Personen- und fahrzeugrelevanten Daten aufnahm, sondern auch seinen Kollegen um eine Bestandsaufnahme des Schadens bat, während die Geländewagenfahrerin missmutig und voller Ungeduld die erbetenen Angaben machte. Sogar die eilig notierte Telefonnummer, die sie mir im Austausch für meine Visitenkarte gab, prüfte der gewissenhafte Gesetzeshüter auf ihre Richtigkeit.


Um Cristina entsprechend instruieren können, erkundigte ich mich schließlich, ob wir zur Delegacia in der Avenida Engenheiro Luís Carlos Berrini fahren würden. Nein, da niemand verletzt sei, reiche es, wenn wir unsere Aussage in einem Posto Policial, einem einfachen Revier, machten. Wir würden in die Rua República do Iraque fahren, schloss der Polizist.


Nachdem alle Formalitäten erledigt waren, machten wir uns, dem Polizeiauto folgend, auf den Weg dorthin. Kaum waren wir einige Meter gefahren, hielt das Polizeiauto an, denn unser Ausnahmepolizist hatte ein Auto bemerkt, das gesetzeswidrig in zweiter Spur parkte und damit den Verkehr in dieser schmalen, stark befahrenen Straße beeinträchtigte. Der Ausnahmepolizist stieg aus und rügte den Fahrer, der sich sogleich einsichtig zeigt.


Wir fuhren weiter. Doch wann immer sich ein Verkehrsteilnehmer nicht völlig korrekt durch den dichten Verkehr bewegte, heulte die Sirene auf. So auch wenige Minuten später, als es einen weiteren Parksünder zu rügen galt. Anders als der Delinquent zuvor, zeigte dieser sich allerdings uneinsichtig und begann zu diskutieren. Dies hätte er lieber lassen sollen, denn unser Gesetzeshüter kehrte zum Auto zurück, griff einmal mehr nach dem Klemmbrett, entschuldigte sich bei uns für die Verzögerung und erfasste die Verkehrswidrigkeit des diskussionsfreudigen Autofahrers.


„Einfach großartig, wie dieser Polizist seinen Beruf ausübt“, lobte mein Mann den Gesetzeshüter. „Er hätte wirklich allen Grund dazu, einfach weiterzufahren, denn schließlich ist er ja mit uns beschäftigt“, legte ich nach, als plötzlich Cristina anrief, um zu erfragen, wo wir blieben, denn sie war längst am Polizeirevier angekommen. „Wir sind an einen wirklichen Ausnahmepolizisten geraten, der jeden Gesetzesverstoß, den er während der Fahrt zum Revier bemerkt, unmittelbar ahndet“, erklärte ich. Kein Problem, das Polizeirevier sei sehr idyllisch, mit Garten und Springbrunnen, berichtete Cristina. Dort zu warten, sei alles andere als unangenehm.


Schließlich am Polizeirevier angekommen, stellte ich Cristina unserem Ausnahmepolizisten vor, der sie seinerseits formvollendet grüßte. Nun setzte dieser den diensthabenden Polizisten auf dem Revier ins Bild – inhaltlich umfassend und gleichzeitig kurz und knapp – und verabschiedete sich von uns. Auch die Aufnahme des Unfalls im Revier verlief äußerst professionell. Nachdem die persönlichen Daten erfasst waren, bat der Polizist meinen Mann um die Schilderung des Unfallhergangs, den er zu Protokoll nahm und uns schließlich vorlas. Nachdem Cristina zur Sicherheit alles kurz zusammengefasst hatte, bestätigten wir das Protokoll.


Wir hätten es ganz anders treffen können, denn gewiss gibt es hier in São Paulo in diesem harten Berufstand ganz andere Exemplare.


Nur eines blieb zurück: Mein Mann hat ein echtes Geländewagenfahrerinnen-Trauma davongetragen. Kaum nähert sich ein Fahrzeug dieser Kategorie, schwant meinem Mann das Schlimmste. Sitzt dann noch ein blonder Engel am Steuer, tritt mein Mann nach Möglichkeit das Gaspedal.