Was seither geschah…

Vor sage und schreibe 280 Tagen habe ich meine letzte Kolumne veröffentlicht. Unglaublich, denn es kommt mir vor, als sei es gestern gewesen.


Nachdem die Brasil-Post am 28. September 2012 nach 62 Jahre eingestellt wurde, war Zeit für Neues gekommen.

Und dies kam bereits zwölf Tage darauf, schneller als zu erwarten war, im Zuge der Teilnahme am III Prêmio de Fotografia 2012 des Club Transatlântico zum Thema “Verde na Metrópole”, „Grün in der Stadt“.


Auch wenn das Grün in der Betonwüste São Paulos nicht gerade auf dem Präsentierteller serviert wird, fand ich es – ausgerechnet in der Zona Leste, der Ostzone, einem sozialen Brennpunkt der Megacity bei der Hilfsorganisation CIDADES SEM FOME, STÄDTE OHNE HUNGER, - und schoss mein Wettbewerbsfoto.


Doch es blieb nicht bei dem Fototermin im Oktober 2012, denn die Arbeit von STÄDTE OHNE HUNGER begeisterte mich. Mit viel persönlichem Engagement hatte der Deutsch-Brasilianer Hans Dieter Temp unter vergleichsweise widrigen Rahmenbedingungen in der problembehafteten Peripherie der Stadt Projekte aufgebaut, die das Leben vieler Menschen dort grundlegend und spürbar verbessern.


Wenn diese wertvolle Arbeit nur bekannter wäre und einen größeren Unterstützerkreis hätte, könnte sich die Organisation national und international ganz anders aufstellen. Grundvoraussetzungen hierzu wären allerdings die vollständige Überarbeitung der Website und andere erforderliche Maßnahmen, ging es mir nach meinem Projektbesuch durch den Kopf. Es war, als hätte sich ein Schalter umgelegt. Sofort hatte ich die notwendigen Schritte vor Augen. Ein Telefonat besiegelte schließlich meine zukünftige Arbeit für STÄDTE OHNE HUNGER.


Nach eineinhalb Jahren als Kolumnistin hatte meine PR-Abstinenz so ein Ende. Ich war wieder in meinem originären beruflichen Schwerpunkt tätig, schrieb Konzepte zur Prozessoptimierung, verfasste Strategiepapiere und widmete mich der konzeptionellen und inhaltlichen Neugestaltung der Website und vielem mehr.


Wenige Tage bevor STÄDTE OHNE HUNGER wie aus dem Nichts in mein Leben getreten war, hatte sich im Rahmen eines Mittagessens bereits eine andere berufliche Tür geöffnet. Mein persönlicher Headhunter hier in Brasilien hatte, nachdem klar war, dass die Brasil-Post ihr Erscheinen einstellen würde, schon einen Folgeauftrag für mich. Die zweite Tätigkeit, die mir dieser großartige Networker, dem ich etwa vier Wochen nach meiner Ankunft in Brasilien im Jahr 2011 zufällig begegnet war, vermittelt hatte. Ich sollte eine Festschrift für eine deutsche Organisation in São Paulo verfassen, die im Herbst 2013 ihr 150-jähriges Bestehen feiern würde.


Mit einer guten Organisation und einer strukturierten Arbeitsweise würden beide Aufträge parallel zu bewältigen sein, zumal der Termin zur Fertigstellung der Publikation in weiter Ferne lag.


Im März 2013, nur sechs Tage nach meiner letzten veröffentlichten Kolumne, die inzwischen bereits nicht mehr wöchentlich, sondern 14-tägig erschien, wurde mir ein dritter Auftrag angetragen.


Ich hätte bereits eine neue Aufgabe übernommen und mit einer weiteren würde ich demnächst beginnen, erklärte ich hadernd, denn der in Aussicht gestellte Auftrag interessierte mich sehr. Es sei an mir, zu entscheiden, in welchem Umfang und mit welchem Arbeitsvolumen ich mich einbringen würde. Nach der positiven Zusammenarbeit im Vorjahr wolle man gern mit mir arbeiten. Außerdem sei die Dauer dieser ersten Projektphase, die Mitte Mai abgeschlossen sein würde, überschaubar. Ich konnte nicht widerstehen und nahm an, was gleichzeitig bedeutete, dass ich mich von meiner Kolumne verabschieden musste.


Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in São Paulo profitierte ich von der Amanhã-Mentalität (Wortbedeutung: morgen; Alltagsgebrauch: in der nächste Woche, in einigen Monaten, im kommenden Jahr oder niemals) hier in Brasilien, denn das Buchprojekt kam nicht in Schwung. Ich konnte mich also voll und ganz auf meine Arbeit für STÄDTE OHNE HUNGER und den neuen Auftrag konzentrieren. Zumindest für einen ganzen Monat, denn Ende Mai materialisierte sich die nächste Aufgabe, die über STÄDTE OHNE HUNGER zustande kam, aber weit darüber hinaus ging.


Eine Gruppe deutscher Investmentbanker hatte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über STÄDTE OHNE HUNGER gelesen und sich für einen Projektbesuch angemeldet, den ich mit organisierte.


Je konkreter die Reiseplanung der Gruppe wurde, umso deutlicher realisierte der in München ansässige Chefplaner die organisatorischen Unwägbarkeiten und kulturellen Tücken São Paulos. Für diese Gruppe habe er bereits zahlreiche Reisen in die unterschiedlichsten Länder geplant und erfolgreich durchgeführt, São Paulo sei in organisatorischer Hinsicht allerdings ein Spezialfall. Ich wusste genau, wovon der Routinier sprach und bot ihm kurzerhand meine Unterstützung an, denn mein Kurzauftrag war fast abgeschlossen und das Buchprojekt hatte sich noch immer nicht konkretisiert. Ich habe es nicht bereut, denn diese Delegation zu betreuen, war ein ausgesprochenes Vergnügen.


Nach der Abreise der Investmentbanker schloss ich den Kurzauftrag ab und konzentrierte mich fortan wieder voll auf meine Arbeit für STÄDTE OHNE HUNGER.


Kurz vor meiner Deutschlandreise im Juni 2013 wurde der Auftrag zur Erstellung der Festschrift schriftlich bestätigt. Nun hieß es schreiben, schreiben, schreiben, denn gemäß meines Zeitplans – STÄDTE OHNE HUNGER sollte schließlich nicht ewig ohne mich auskommen müssen – waren zur Erstellung der Publikation exakt fünf Kalenderwochen eingeplant.


Dass ich in Brasilien lebe und arbeitete, realisierte ich einmal mehr nach meiner Rückkehr aus Deutschland, denn die von mir zur Erstellung der Publikation angesetzten Interviews waren natürlich nicht terminiert worden. Ich machte Druck, was in Brasilien nur bedingt funktioniert. Mir schwanten harte Zeiten.


Das letzte erforderliche Interview konnte ich schließlich am 18. Juli und nicht etwa, wie geplant, am 28. Juni führen. Wäre die Planung in irgendeiner Weise relevant gewesen, hätte ich die fertige Publikation am 29. Juli abgeben müssen. Nicht so in Brasilien. Als termintreue Deutsche litt ich am vorgesehenen Abgabetag Höllenqualen, doch Gelassenheit war gefragt und harte zwölf bis 14-Stunden-Schichten. Am 15. August war es schließlich vollbracht. Ich schickte die Publikation an meine Auftraggeber und wandte mich wieder meiner Arbeit für STÄDTE OHNE HUNGER zu.


„In den vergangenen zwölf Monaten haben wir viel geschafft“, sinnierte der STÄDTE OHNE HUNGER-Gründer gestern, als ich im Rahmen der Planung für 2014, eine lange To-do-Liste für das kommende Jahr präsentierte.


Recht hat er, dachte ich nach dem Gespräch bei mir, ohne auf das Naheliegende - einen Moment innezuhalten und mich am Ende dieses turbulenten Jahres meinem persönlichen Projekt zu widmen - zu kommen. Das kam mir erst wieder in den Sinn, als ich, in Arbeit vertieft, einen engen Freund per Skype abbügelte. Ich sei mittendrin in einer Arbeit für „mein Hilfswerk“. „Welches Hilfswerk?“, fragte er daraufhin. Völlig geschockt darüber, dass ich ihm diese wesentliche Information vorenthalten hatte, war das Naheliegende, die Weiterführung meiner Kolumne, beschlossene Sache.


P.S.: Ab sofort wird meine Kolumne - mit Ausnahme einer Weihnachtspause am 27.12.13 - wieder 14-tägig erscheinen, auf meiner eigenen Website, die ich zwischendurch erstellt habe. Trotz des straffen Programms, das ich in 2013 absolviert habe, habe ich einiges erlebt, was ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte.


Folgende Kolumnen werden in den kommenden Wochen veröffentlicht:


HOMBRE versus homem: Mehr als nur ein phonetischer Unterschied

Abenteuer Bahia

Mein liebes Kindle

Wie ich auf eine lebende Legende traf...

Versandwege: Über verblüffend effiziente Dienstleistungen in Brasilien