Abenteuer Bahia (2): Würden wir es vor der Flut schaffen

Ob es möglich sei, Trancoso per Fuß zu erreichen, wenn wir am Strand entlang gingen, fragte ich die Rezeptionistin unseres Boutique Hotels in Araial d' Ajuda, denn in der stylischen Herberge lagen nirgends die gängigen Touristeninformationen aus, die einen Anhaltspunkt zur Erkundung bieten. „Ja, ich bin bereits mehrfach auf diesem Weg nach Trancoso gelaufen“, erklärte die junge Frau, allerdings sei es bereits relativ spät. Wir sollten zügig aufbrechen, um vor Einsetzen der Flut die Wegstrecke an den Felsen zurücklegen zu können. Ob wir diese auch passieren könnten, wenn die Flut einmal eingesetzt habe, wollte ich wissen. Auch dies sei möglich, sie habe die Felsen selbst bereits einmal erklettert und sei nach ungefähr zwei Stunden gut dort angekommen.


Eilig machten wir uns auf den Weg: An der Praia do Mucugê, in unmittelbarer Nähe des Hotels, begann unser Marsch, vorbei an den beliebten Praias von Pitinga und Taípe. Plötzlich waren wir allein, abgesehen von der strahlenden Sonne, die uns jetzt zur Mittagszeit besonders nahe zu kommen schien. Ungefähr sieben Kilometer hatten wir bereits zurückgelegt.


Wir liefen weiter, denn wir hatten ein Ziel vor Augen. Rechts ein hohes Felsmassiv, links der weite Ozean. Meter für Meter kämpften wir uns durch den unberührten Sand, als plötzlich eine Oase am Horizont auftauchte. Oder halluzinierten wir bereits? Wir gingen weiter.


Die weißen Schirme wurden immer plastischer, Tische und Stühle waren auszumachen. Mit letzter Kraft erreichten wir eine ganz reale Barraca de Praia, ein offenes Strandrestaurant, dessen Sonnenschirme und Schilfdächer Schatten spendeten und dessen Stühle bequemer nicht hätten sein können. Wir bestellten Wasser, viel Wasser. „Wenn wir jetzt essen, gehen wir keinen Schritt mehr“, fürchtet mein Mann. „Wir sollten an unserem Plan festhalten - nach Trancoso laufen, dort essen und dann mit dem Taxi nach Araial d' Ajuda zurückkehren, erklärte er entschlossen.


So kurz vor dem Ziel wollte auch ich nicht aufgeben, zumal unsere Oase keinen Zugang zur Straße zu haben schien und wir den Weg, den wir gekommen waren, wieder hätten zurückgehen müssen. Nachdem unsere zweite Wasserflasche getrunken war, befragten wir den Wirt zu unserem Vorhaben. Um diese Zeit sei der Weg nach Trancoso sehr gefährlich, denn durch die Flut seien die Felsen nur schwer zu überwinden, erklärte er besorgt. Wir sollten doch bei ihm zu Mittag essen, führte er aus, und verschwand. Minuten später kehrte er, um seinem Vorschlag Nachdruck zu verleihen, mit einem fangfrischen Fisch zurück. Wir widerstanden der Versuchung, dankten, machten uns entschlossen auf und liefen die Praia de Rio da Barra weiter entlang.


Tapfer gingen wir dem Ziel entgegen, bis sich in weiter Ferne auch vor uns eine Felswand materialisierte. Plötzlich erinnerte ich mich unseres Fluterlebnisses in Morro de São Paulo, das unsere Kamera das Leben gekostet hatte und mich einen Moment zweifeln ließ, ob wir die Situation unbeschadet überstehen würden. Meine Entscheidung fiel in Sekunden: Derartiges wollte ich nicht noch einmal erleben.


„Lass uns doch wenigsten einmal schauen, ob nicht doch ein (sicherer) Weg über die Felsen führt“, bat mein abenteuerlustiger Mann, nachdem ich unseren Ausflug vorzeitig für gescheitert erklärt hatte. „Bei dieser Hitze gehe ich nicht noch ein bis zwei Kilometer, um dann festzustellen, dass ein solcher Weg nicht existiert“, erklärte ich entschieden. „Wenn Dir danach ist, kannst Du die Lage erkunden und mir ein Zeichen geben, insistierte ich und orientierte mich in Richtung des Felsens zu unserer Rechten, auf der Suche nach etwas Schatten.


Mein 1,91 Meter großer Mann wurde kleiner und kleiner, bis ich ihn in der Ferne kaum mehr erkennen konnte. Das Zeichen blieb aus. Er wurde wieder größer, bis er schließlich wieder in voller Lebensgröße vor mir stand. „Komm lass uns Essen gehen“, schlug er erschöpft vor.


Auf dem Weg zurück zu unserer Oase kam uns ein Paar entgegen, blond und europäisch anmutend. „Die beiden werden wir sicher gleich im Strandrestaurant wiedersehen“, mutmaßten wir. Doch wir sind ihnen nie wieder begegnet.