Kaum in Brasilien angekommen, kaufte ich mir im Februar 2011 in Rio de Janeiro zwei dünne amerikanische Taschenbücher und zahlte dafür deutlich mehr als für eine hochwertig gebundene Neuerscheinung in Deutschland. Da würde etwas auf mich zukommen, dachte ich bei mir, denn ich las schon immer gern und viel.
Zurück in São Paulo sondierte ich die Möglichkeiten: Alle großen Buchhandlungen boten ein umfassendes Sortiment an englischsprachiger Literatur. Französische und spanische Autoren waren ebenfalls im Original erhältlich. In der Livraria Cultura, gegründet von Eva Herz, die 1938 vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten aus Berlin geflohen war, stieß ich sogar auf einige deutschsprachige Titel, wobei es sich fast ausschließlich um Klassiker deutscher Literatur und um Sprachlehrbücher handelte.
Aus der Brasil-Post erfuhr ich schließlich von der Existenz zweier deutscher Buchhandlungen, der Livraria Alemã Revisal[1] und der Livraria Alemã Bücherstube, die mehr an einen Dekorationsbedarf als denn an eine Buchhandlung erinnert. In der Livraria Alemã Revisal hatte ich in Phasen akuter Lesestoffknappheit mehrere Taschenbücher erworben und dafür tief Tasche gegriffen.
Man könne auch über Amazon Deutschland und andere Internethändler bestellen, erfuhr ich, allerdings wisse man nie genau, wann die Bücher eintreffen würden. Diese Option verwarf ich. Stattdessen beschloss ich, künftig meine Bücher selbst zu importieren oder importieren zu lassen. Dass wir nie Übergepäck bezahlen mussten, grenzt an ein Wunder, denn insbesondere zu Weihnachten führten wir große Stückzahlen ein.
Es gab Zeiten, in denen ich mich zwang, langsamer und schließlich weniger zu lesen, denn der nächste Buchkurier würde so bald nicht eintreffen.
Einmal hatte ich einige Bücher an meine Eltern schicken lassen, die meine Mutter an unseren nächsten Buchkurier weiterleiten sollte. Nachdem meine Mutter die Sendung versandfertig gemacht hatte, berichtete sie, dass das Paket verhältnismäßig groß und ziemlich schwer sei. Ich informierte meinen Mann, denn sein Chef sollte der Überbringer sein. Der riet mir, mit dem Berliner Büro seines Chefs Kontakt aufzunehmen, denn sein Chef würde nicht auf direktem Weg anreisen. Kein Problem, gern könne ich die Bücher schicken lassen, erhielt ich als Antwort, woraufhin meine Mutter das schwere Paket auf den Weg brachte.
Von Berlin über Istanbul und Johannesburg gelangte die Buchsendung schließlich nach São Paulo. Es täte mir leid, dass ich dafür gesorgt hätte, dass er kiloweise Bücher rund um den Globus habe transportieren müssen, entschuldigte ich mich beim Chef meines Mannes, der daraufhin erklärte, dass er die Biographie Friedelind Wagners und auch die anderen Titel gern mitgebracht habe.
„Wie gut, dass Dirk einen so musik- und literaturaffinen Chef hat“, beschloss ich bei einem Abendessen meinen Bericht über die transkontinentale Buchlieferung. „Diese Sorgen haben wir seit einiger Zeit nicht mehr“, erklärte eine Freundin. „Wir haben uns beide Kindles zugelegt“, führte sie aus.
Ich war überrascht, denn kurze Zeit zuvor hatte ich die gut sortierte Bibliothek des Ehepaars bewundert. „Seit 27 Jahren reisen wir nun beruflich durch die Welt und selten war es leicht, deutsche Bücher nach unserem Geschmack zu finden“, erklärte die Buchliebhaberin. „Nun können wir jedes Buch, das uns interessiert unkompliziert bekommen und überall – auch am Strand – lesen, ohne dicke Wälzer durch die Gegend schleppen zu müssen“. Ich sollte mir wirklich einen Kindle zulegen und dazu eine lederne Hülle, bekam ich am Ende des gemeinsamen Abendessens mit auf den Weg.
Wirklich überzeugt war ich noch nicht, denn gern halte ich ein gedrucktes Buch in Händen. Doch mein Mann studierte bereits die Kindle-Angebotspalette. Der Kindle Paperwhite sei von seiner Wirkung fast wie ein richtiges Buch, erklärte er, und demonstrierte mir dies auf dem PC-Bildschirm. „Also gut“, erklärte ich skeptisch, „vielleicht ist der Kindle wirklich eine Lösung“.
Die nächste Deutschlandrückkehrerin brachte mir das Gerät am 24. Februar 2013 mit. Inzwischen, rund ein Jahr später, habe ich 49 Bücher auf dem Kindle Paperwhite gelesen und bin begeistert. Selbst beim Einschlafen kann ich lesen, ohne meinem Mann zu stören, denn durch das beleuchtete Display bedarf es keiner zusätzlichen Lichtquelle.
Für diejenigen, die im Ausland leben und sich im Aufenthaltsland mit der (günstigen) Beschaffung von Büchern in der favorisierten Sprache schwertun, ist der Kindle eine großartige Option.
Auch in Deutschland erfreut sich das E-Book steigender Beliebtheit. So wollen, laut einer Erhebung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (Von der Perspektive zur Relevanz - Das E-Book in Deutschland 2012, Frankfurt am Main, 7. Juni 2013), zukünftig ein Prozent der Befragten ein Buch ausschließlich als E-Book und nicht mehr als gedrucktes Buch kaufen, sechs Prozent planen weitgehend E-Books und nur noch vereinzelt gedruckte Bücher zu erwerben und dreizehn Prozent beabsichtigen ein Buch sowohl als E-Book als auch als gedrucktes Buch zu kaufen.
E-Books, so berichtete mir kürzlich der Buchhändler meines Vertrauens, kann man übrigens auch in der Buchhandlung erwerben. [1] Die Buchhandlung hat am 27. September 2013 den Geschäftsbetrieb eingestellt.